Bakterielle Biokunststoff-Fabriken gezähmt

Forschende in Gießen haben ein neues System zur maßgeschneiderten Kontrolle der Genexpression von Bakterien entwickelt. Davon würde auch die Biokunststoff-Produktion profitieren.

Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze sind Meister der Stoffumwandlung und seit jeher wichtige Werkzeuge der Biotechnologie. Mit ihrer Hilfe lassen sich Materialien produzieren, die von Natur aus biobasiert und biologisch abbaubar sind – beispielsweise Biokunststoffe. Das Problem: Nicht alle Bakterien, die für die Biotechnologie interessant sind, bringen die gewünschte Leistung, denn sie lassen sich nur schwer bändigen. Forschende am Institut für Mikrobiologie und Molekularbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben nun einen Weg gefunden, Bakterien zu „zähmen“, indem sie ihre Genexpression kontrollieren.

Kontrollierte Genexpression
Bei der Genexpression wird die Neusynthese jener Proteine gesteuert, die bestimmte Aufgaben in der Zelle wahrnehmen. „Einige der bekannten Systeme zur Kontrolle der Genexpression lassen sich in Modellorganismen wie E.coli nach jahrelanger Feinabstimmung einsetzen, funktionieren aber in vielen Wildtypen von biotechnologischem Interesse nicht gut. Typische Probleme sind eine schwache oder eine unkontrollierte Expression“, erläutert Matthew McIntosh von der JLU.

Mehr Speicherplatz für nützliche Polymere
Das von McIntosh entwickelte System könnte diese Probleme lösen. Den Forschenden zufolge ist das neue System namens ACIT (Alphaproteobacteria chromosomally integrating transcription-control cassette) in der Lage, die Genkontrollmechanismen schnell an die spezifischen Bakterien und die Wachstumsbedingungen anzupassen. Wie das Team in der Fachzeitschrift „ACS Synthetic Biology“ schreibt, kann damit eine Bakterienzelle um das Hundertfache verlängert und so mehr Speicherplatz für nützliche Polymere geschaffen werden, die sich in der Zelle ansammeln.

PHB kostengünstig herstellen
Auf diese Weise könnte etwa das biologisch abbaubare Biopolymer Polyhydroxybutyrat (PHB) kostengünstig produziert werden, das zur Herstellung biologisch abbaubaren Kunststoffs benötigt wird. Darüberhinaus könnte es auch zur Kontrolle der Genexpression in weniger erforschten Bakterien eingesetzt werden. Doch nicht nur die Kunststoffproduktion würde von dem neuen ACIT-System profitieren. Eine kontrollierte Genexpression wäre den Forschenden zufolge für zahlreiche biotechnologische Anwendungen, aber auch für die Untersuchung der Genregulation und -funktion in Bakterien geeignet. Das ACIT-Systen wurde mittlerweile zum Patent angemeldet.

Ansprechpartner

Dr. Stefaniya Gencheva

Dr. Stefaniya Gencheva

Projektleiterin Life Sciences & Bioökonomie

Abteilung

Technologie & Innovation

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